logblog – donaufahrt von melk ans schwarze meer – pt. II: wien-budapest

15/16/17/18/19. Juni

 

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bootsfahrt zur mittagsstunde, schreiben unterm sonnenschirm (noch hält er, windstärke: leicht) carola schält kartoffel, rainer am steuerstand. karibische sandstrände ziehen an uns vorbei, langgestreckte inseln, ruhiges breites wasser, als wärs der amazonas. in der ferne berge, bald sind wir beim donauknie.

 

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carola, videokünstlerin und fotografin, begleitet uns für ein paar tage. gemeinsam mit ihr fahre ich sonntag nacht nach orth an der donau, wo das boot seit zwei tagen liegt. rainer hat das schiff dort ausbessern lassen, die webseite fertiggestellt – auf der man nun auch die reise verfolgen kann. (http://www.rainer-prohaska.net/cargo/cargo.htm) nach letzten vorbereitungsarbeiten brechen wir erst um 11 uhr auf und schaffen doch eine der längsten tagesetappen, auch wenn wir abends unsere erste nachtfahrt haben werden. vorbei an bratislava, eine stadt, die vom fluss aus keinen sehr attraktiven eindruck macht, gelangen wir am späten nachmittag in den dreißig kilometer langen stausee von gabcikovo, eigentlich ein von mauern umfasster kanal, eine problematische passage bei wind und schlechten wetter, da sich sehr hohe wellen bilden können. hier soll es schon boote über die staumauer geworfen haben. die wetterbedingungen allerdings sind ideal wie sie insgesamt ideal sein werden nach unserer abfahrt aus wien: um 25 grad, immer wieder bedeckt, selten ein paar regentropfen. trotzdem merken wir nach der vorbeifahrt von großen schiffen, wie lange und wie stark sich die wellen in diesem kanal halten, wir müssen immer wieder komplett tempo rausnehmen, damit die zillen nicht volllaufen.

 

die mohnmühle

 

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halt unterbrechung! neben uns ersteckt sich eine lange weiße kiesinsel mit vier bäumen. es sieht aus wie im paradies. wir beschließen sofort anzulegen. carola kocht unter einem baum weiter. ich installiere die mohnmühle am boot. mohnmühle? richtig mohnmühle. vielleicht fange ich ein bißchen früher an. spätestens bei unserem mittagessen in komárno ist klar dass sich in carola und rainer zwei menschen gefunden haben, die es lieben, über essen zu reden. im mittelpunkt steht dabei die österreichische küche sowie ausflüge in die italiensche. detailreich und weitschweifig werden zubereitungsmethoden,zutaten und ihre herkunft zelebriert, es geht um knödel, ihre verschiedenen verarbeitungsphasen und weiß der teufel was. bei irgendeinem dieser gespräche landen die beiden bei der zubereitung von mohnnudeln aus kartoffelteig und es stellt sich die frage, wenn ich es richtig begriffen habe, ob man anstatt kartoffelteig auch einfach kartoffeln mit gemahlenem mohn zubereiten könnte. deshalb ist plötzlich der plan in komárno eine mohnmühle aufzutreiben. gleich im ersten geschäft, ich glaube es kaum, ein ramschladen, bietet uns die verkäuferin drei modelle an. wir entscheiden uns für ein blaues gußeisenes und freuen uns, dass unser boot nun mit so einem essentiellen gerät wie einer mohnmühle ausgestattet ist. auf dieser paradiesischen insel finden also verschiedene kartoffelmohnexperimente statt. carola kocht und ich assistiere. am ende beschließen wir, da wir keine püriermaschine haben, im topf mit den füßen kartoffeln und mohn zusammenzustampfen. irgendwann ist alles so rutschig, die welt gerät aus dem gleichgewicht und wir landen in der donau und verdünnen den brei mit donauwasser. währenddessen beginnt rainer eine kunstistallation zu bauen, indem er mit mehreren parallelen spanngurten zwei große äste eines im wasser liegenden weidenbaumes zusammenspannt. nach einem nickerchen machen wir uns schick für die ausstellungseröffnung, der anzug und das schwarze kleine werden ausgepackt. weißwein und fotos. bei der vernissage ist der künstler anwesend, die besucher und besucherinnen sind begeistert. ein schiff fährt vorbei.

 

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die fahrt geht weiter. also wo war ich? beim stausee. noch immer. irgendwann haben wir tatsächlich die schleuse erreicht. wir müssen noch zwei stunden in diesem unwirklichen niemandsland warten. keine menschen, ferne landschaft, von möwen zugekackte anlegepiers. endlich schleusen wir zwanzig meter hinab neben einem vierfachschubschiff. dann lange weiterfahrt. es wird dunkel. ohne scheinwerfer steuere ich das boot über das wasser, rainer steht vorne und hält im dunkeln nach bojen ausschau. anspannung. eine boje zu rammen, kann böse enden. wir versuchen die einfahrt in den seitenarm zu erkennen, wo wir übernachten wollen. eine einlassung im baumbewuchs. hier könnte sie sein und tatsächlich: volltreffer. wir drehen zu berg und fahren in den seitenarm, bis wir bei einer kleinen verlassenen yachtmarina festmachen. ich koche spaghetti, wir lauschen in die dunkelheit, erschöpft vom langen tag.

 

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am nächsten tag legen wir zu mittag in komárno längseits an einem schubschiff an, mittagessen und mohnmühlenkauf in der stadt, am nachmittag fahrt über eine ruhige donau, abends biegen wir in einen altarm ein und fahren vorbei an dichten bäumen, die sich überm wasser spiegeln zwei kilomter, bis wir zu einem kleinen campingplatz gelangen. man muss viel loten, da viele untiefen. der campingplatz ist fast komplett leer. wo sind eigentlich die menschen?

 

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am nächsten morgen arbeitszeit. jeder ist in seinen computer vertieft. wir sitzen unter den schirmen des campingplatzrestaurants. hauptthema unserer gespräche ist eine suppe, die carola – verführt vom geruch aus der küche – zum frühstück bestellt und die eigentlich nur für die angestellten vorgesehen ist. die köstlichkeit dieser suppe ist anlass für ausführliche gespräche mit dem personal, die köchin wird aus der küche hinzugeholt und muss die zutaten und die zubereitung erläutern. nachmittags geht es weiter bis estergom, einem traumhaft gelegenen städtchen, an den abhängen eines berges, auf dem eine gewaltige klassizistische kirche steht. wir legen bei attila in der marina mitten in der stadt an, laufen durch stille altstadtgassen, sehen die sonne untergehen am burgberg, der fluss glitzernd unter uns. jetzt liegen wir nach dem nachmittag auf unserer paradiesinsel am inselspitz vom donaukinie beim alten mann mit dem weißen bart, der im boot lebt. am sandstrand leuchten lagerfeuer, lachen schallt durch die weidenbäume herüber. zu unserem boot. unser boot. wir sehr lieben wir es. doch der mann mit dem bart winkt nur einmal kurz. beim letzten mal vor sieben jahren kam er mit einer flasche schnaps hinüber. das beschäftigt rainer. weniger meschen an der donau als bei seiner letzten reise und zurückhaltender. liegt es an der jahreszeit? an der gegend? in der slowakei haben sich kaum menschen gezeigt, in ungarn sind sie schon offener. was kommt? am nächsten morgen wird er uns auf alle fälle helfen, das boot, das sich auf der sandbank über nacht festgesetzt hat, ins wasser zu schieben, gemeinsam mit ein paar anderen ungarn von den lagerfeuern nebenan.

 

gesprächsfetzen und leben am boot, des abends, von carola notiert:

 

der computer ist das gegenteil vom schiff

 

gluck (weinflasche)

 

volker kocht speck auf

 

der mann mit dem weißen bart am schiff das neben uns liegt. der schläft schon

 

das mag der rainer gar nicht. ist er abgestumpft? wieso begrüßt er uns nicht?

 

volker isst, rainer redet und trinkt wein

 

da ist auch sand drin im speck

 

man muss nur dem sandstrand nahe kommen

 

ich dachte, da ist mehr los als vor sieben jahren aber es ist weniger los

 

„nur weil er dir keinen schnaps anbietet?“

 

nein, es ist wie eine geisterstadt.

 

niemand mehr da volker: vielleicht geht die reise einfach mehr nach innen.

 

rainer – jajaaa stimmt

 

die jungs sind piraten

 

volker sag mal einen satz zum tag!

 

mohn tag rainer kichert

 

rainer wie geht’s dir? rainer macht windgeräusche oder störgeräusche

 

rainer sagt (durch die kamera) ich bräuchte einen monat länger zeit

 

carola sagt – ich bräuchte ein leben länger zeit

 

rainer ist im zelt holt bestimmt wein

 

lachen aus der kamera

 

stille

 

rainer raschelt am oberdeck

 

irgendwo reden frauen in einer fremden sprache

 

die technik versagt immer wenn das leben greift

 

wie spät ist es?

 

zu spät oder zu früh?

 

oder einfach donauzeit.

 

 

 

20/21. juni

 

budapest

 

wir laufen durch straßen die aussehen wie wien in meiner kindheit. diese stadt ist eine ungewaschene perle. ich meine abseits der sehenswürdigkeiten. das parlament und die burg sehe ich nur von der ferne. von der brücke aus, angestrahlt aus tausend lichtern, überirdisch. wir treiben uns in einem viertel rum, das carola noch von ihrem letzten budapestaufenthalt kennt. sie zeigt uns ein kleines restaurant mit fantastischem essen. wir finden clubs, gärten in baulücken mit drinks und hängematten, aber alles völlig unprätentiös. wie bar 25 in ihren anfängen. hier gibt es keine hipster. eine angenehme mischung von menschen. zwei tage laufen wir durch diese milde stadt. carola verlässt uns abends und fährt nach wien zurück. wir wollen sie gar nicht gehen lassen. jetzt sind zum ersten mal nur rainer und ich an bord. zwei männer keine frau. beginnt jetzt der ernst der bootsfahrt?